Was ist wertschätzende & gewaltfreie Kommunikation?

Die Gewaltfreie Kommunikation (kurz GFK) – heute auch häufig als Wertschätzende Kommunikation (WK) bezeichnet – ist eine von Marshall B. Rosenberg entwickelte Kommunikations- und Konfliktlösungsmethode. Ein 4-Schritte-Prinzip unterstützt uns dabei, auf die Emotionen und Anliegen (Gefühle und Bedürfnisse) hinter dem vordergründigen Problem einzugehen und auf dieser Basis Lösungen zu finden, bei denen keiner verliert.

„Das Spiel, das mir am meisten Spaß bringt, heißt „Das Leben wunderbar machen“. Die meisten Leute spielen „Wer hat Recht?“ und sie wissen nicht, dass es auch noch ein anderes Spiel gibt. „Das Leben wunderbar machen“ können wir auch mit Leuten spielen, die „Wer hat Recht?“ gewöhnt sind – niemand wird das weiter spielen wollen, wenn er die Wahl hat.“                Marshall B. Rosenberg

Sei echt. Sei offen. Sei frei.

Sei echt: authentisch sein, sich aufrichtig ausdrücken
Sei offen: dabei offen und empathisch sein für die Anliegen anderer
Sei frei: mit Selbstempathie Verantwortung übernehmen für das, was ich fühle und brauche und mich dafür einsetzen

Und was steckt noch dahinter?

Fokus auf Bedürfnisse statt auf Urteile
So nützlich Urteile und Bewertungen im Alltag sind, um schnell zu handeln und Entscheidungen zu treffen, so energieraubend können sie manchmal im zwischenmenschlichen Miteinander sein. Wir gestehen es uns ungern ein, aber wie oft malen wir uns aus, was der Andere doch hätte machen oder sagen können? Statt Zeit und Gedanken daran zu verschwenden, was wir (im Außen) gern anders hätten, besinnt sich die gewaltfreie Kommunikation darauf, was wir brauchen. Wichtigster Indikator dafür sind unsere Gefühle – wie ein Warnlämpchen am Armaturenbrett signalisieren sie uns, dass ein Bedürfnis dringend „aufgetankt“ werden möchte. Damit richten wir den Blick nach innen, auf uns selbst. Hier liegen die Chancen ungleich höher, dass wir etwas verändern können als beim anderen/bei der Kollegin/dem Nachbarn/der Partnerin, …. Denn sind wir uns einmal bewusst, was wir brauchen, können wir gezielt darum bitten und es tun sich – oft viel leichter als gedacht – Lösungsmöglichkeiten auf.


Empathie als „Superpower“ nutzen
Drehen wir jetzt den – gewaltfreien – Spieß um und wenden uns dem zu, was unsere Mitmenschen brauchen und wie sie sich fühlen. Dann haben wir die Chance, eine andere Perspektive kennenzulernen und einander besser zu verstehen – dann wirkt Empathie wie eine wahre „Superpower“.


Konfliktlösung ohne Verlierer
Bei Verhandlungen und Konflikten löst sich oft der Knoten, wenn wir auf die Anliegen beider Seiten schauen, dann führen oft mehrere Wege zum Ziel. Heißt, wir machen einen Schritt zurück auf die Bedürfnisse, konzentrieren uns darauf, was beide Seiten brauchen. Dann müssen wir unsere bevorzugte Lösungsstrategie gar nicht mehr mit Händen und Füßen verteidigen, sondern können unterschiedliche Optionen anschauen und daraus die beste Lösung für beide Seiten auswählen. Es geht uns nicht mehr darum, wer „seine“ Lösung durchsetzt, sondern welche Lösung die Anliegen beider Seiten am besten erfüllt.


Und wie funktioniert das?

Die gewaltfreie und wertschätzende Kommunikation hat zwei Aspekte: Haltung und Methode.

Die radikalste Verkürzung der Haltung ist „Ich bin ok, du bist ok.“

Die Methode basiert – ebenfalls radikal verkürzt – auf vier Schritten, in denen wir uns ausdrücken: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte.

Die Grundannahmen der Gewaltfreien Kommunikation sind unter anderem:

  • Jeder Mensch strebt nach der Erfüllung seiner Bedürfnisse, das bestimmt sein Verhalten
  • Das heißt, Menschen handeln FÜR ihre Bedürfnisse (und nicht gegen andere)
  • Die eigenen Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die der anderen.
  • Hinter Vorwürfen, Angriffen und Verurteilungen stecken unerfüllte Bedürfnisse
  • Menschen tragen gerne zum Wohle anderer bei, wenn sie es freiwillig tun.
  • Menschen sind bereit zu kooperieren, wenn sie darauf vertrauen können, mit ihren Bedürfnissen gehört zu werden
  • Empathie ist nach Rosenberg eine Grundvoraussetzung gelingender Kommunikation.
  • Neben der Einfühlung in eine andere Person ist auch die Selbstempathie wichtig

Hintergrund

Dr. Marshall B. Rosenberg wurde am 06.10.1934 in den USA geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Detroit auf. 1943 erlebte er mit, wie schwere Ausschreitungen zu 40 Toten in der Nachbarschaft führten. Er erfuhr in Kindheit und Jugend Diskriminierung und Gewalt u.a. wegen seiner jüdischen Herkunft, erlebte aber auch Zuwendung und Mitgefühl. Rosenberg studierte Psychologie bei Carl Rogers. Er beschäftigte sich zunehmend mit den Fragen von Entstehung und Vermeidung von Gewalt. Insbesondere sah er einen starken Zusammenhang zwischen Gewalt und Sprache.
Seit den sechziger Jahren entwickelte er ein Kommunikationsmodell, welches er „Non-Violent Communication“, übersetzt „Gewaltfreie Kommunikation“ nannte. Er bezog sich dabei unter anderem auf die Arbeiten von Martin Buber und Mahatma Gandhi. Impulse erhielt er auch durch den Buddhismus. Rosenberg engagierte sich in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. 1984 gründete er das Center for Nonviolent Communication (CNVC). Er arbeitete mit seiner GFK in Alltagssituationen, Schulen, Gefängnissen und Krisenherden rund um die Welt. 2001 wurde sein grundlegendes Werk „Gewaltfreie Kommunikation“ erstmals auf Deutsch veröffentlicht. Marshall Rosenberg verstarb mit 80 Jahren am 07.02.2015. (fachverband-gfk.org)

„Wir betrachten unsere Art zu sprechen vielleicht nicht als gewalttätig, dennoch führen unsere Worte oft zu Verletzungen und Leid – bei uns selbst oder bei anderen.“                  

Marshall B. Rosenberg